Minusstunden und Zeiterfassung - das ist erlaubt!

Karla Terhaar
23.2.23
October 17, 2024
Zeiterfassung

Mit der Arbeitszeiterfassungspflicht kommen nun auch neue Themen auf. In vielen Unternehmen wird zum ersten Mal genau erfasst, wie viel gearbeitet wird und dabei fällt nicht nur auf, wenn Mitarbeitende Überstunden anhäufen, sondern auch, wenn aus unterschiedlichsten Gründen zu wenig gearbeitet wird. Letzteres bezeichnet man dann als Minusstunden. Aber ab wann spricht man überhaupt von Minusstunden und wie sieht der rechtliche Rahmen aus? Wie darf mit Minusstunden umgegangen werden? Wir haben dir alles, was du wissen solltest, herausgesucht und zusammengefasst.

schwarzer Wecker steht auf Bücherstapel, Tastatur daneben

Disclaimer: Alle Informationen auf den Seiten dieser Website dienen der allgemeinen Information. Sie stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar, können und sollen diese auch nicht ersetzen.

Die wichtigsten Fragen im Überblick

Wann spricht man von Minusstunden?
Was können Konsequenzen von Minusstunden sein?

Inhalt

Was versteht man unter Minusstunden?

Simpel gesagt wird unter Minusstunden die Zeit verstanden, die entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht gearbeitet wurde. Die Folge ist ein Negativsaldo auf dem sogenannten Arbeitszeitkonto. Aber dort fängt es schon: Minusstunden können nur dann als solche bezeichnet werden, wenn ein Arbeitszeitkonto im Einsatz ist und alle gesetzlichen Vorgaben zu diesem erfüllt werden.

Was ist ein Arbeitszeitkonto?

Ein Arbeitszeitkonto funktioniert wie folgt: Jede gearbeitete Stunde wird dokumentiert und auf dem Arbeitszeitkonto verrechnet. Am Ende des Monats oder des Jahres sollten diese summierten Stunden dann dem vertraglich vereinbarten Soll entsprechen.

Liegt die Summe über dem Soll, handelt es sich um Überstunden. Wie diese im Unternehmen gehandhabt werden - ob durch Auszahlen oder Freistellung - muss zuvor vertraglich festgelegt werden.

Liegt die Summe unter dem Soll, handelt es sich um Minusstunden. Diese können, je nach Vereinbarung und Auslöser, vom Gehalt abgezogen werden. Zu den Kriterien später mehr.

Einem Arbeitszeitkonto muss ausdrücklich schriftlich durch eine Klausel im Arbeitsvertrag, in der Betriebsvereinbarung und im Tarifvertrag zugestimmt werden! An dieser Stelle muss ebenfalls festgehalten werden, ob es sich in diesem Fall um ein Langzeitkonto (Stunden können langfristig gesammelt werden) oder ein Kurzzeitkonto (das heißt der Ausgleichszeitraum beschränkt sich auf maximal ein Jahr) handelt. Aber auch, ab wann diese Klausel in Kraft tritt, also wie viel Abweichung ohne Konsequenzen anfallen dürfen, wie der Ausgleich stattfindet und was bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses mit möglichen Minusstunden passiert.

Wie kommen Minusstunden zustanden?

Minusstunden können rechtlich gesehen nur aus einem einzigen Grund anfallen: Wenn Arbeitnehmende aus persönlichen Gründen ihre Arbeitszeit eigenständig kürzen und demnach nicht das vertraglich geregelte Wochen-, Tages- bzw. Monatssoll erreichen.

Das bedeutet, nicht als Minusstunden bezeichnet werden:

  • Ausfälle durch Krankheit, da hier das Entgeltfortzahlungsgesetz greift. Demnach erhalten Arbeitnehmende auch bei Krankheit ihren Lohn und Minusstunden fallen an dieser Stelle nicht an.
  • Gekürzte Arbeitszeit aufgrund von fehlenden Arbeitsaufträgen (angewiesen durch Arbeitgebende). Arbeitgebende tragen in diesem Fall die Verantwortung, für die nicht gearbeiteten Stunden.
  • Urlaubstage. Wenn diese zuvor beantragt und genehmigt wurden, müssen sie entlohnt werden. Wie viele Urlaubstage Arbeitnehmenden zustehen, steht im Arbeitsvertrag.

Was passiert mit möglicherweise falsch berechneten Minusstunden?

Wie mit möglicherweise falsch berechneten Minusstunden umgegangen werden muss, ist abhängig von der Ursache. Ein Grund kann hier das fehlerhafte Erfassen oder Dokumentieren der Arbeitszeiten sein durch ein sehr fehleranfälliges System der Zeiterfassung sein, weil Stunden bspw. im Nachhinein aufgeschrieben oder gar das Eintragen vergessen wird. In den meisten Fällen haben Arbeitnehmende die Möglichkeit, solche Fehler im Nachhinein (meist im Rahmen einer Frist) zu korrigieren. Wenn dies nicht stattfindet, können Minusstunden anfallen.

An anderer Stelle können falsch berechnete Minusstunden durch fehlerhafte Übertragung von Arbeitsstunden anfallen. Auch an dieser Stelle ist die Ursache vorwiegend das Zeiterfassungssystem. Da Arbeitgebende dazu verpflichtet sind, die erfassten Arbeitsstunden mindestens zwei Jahre lang aufzubewahren, sollte eine Richtigstellung unproblematisch sein.

Wie du siehst, ist die Wahl eines verlässlichen Systems der Zeiterfassung essenziell, um Fehler und Konflikte zu vermeiden. Eine Übersicht über die verschiedenen Lösungen der Zeiterfassung und ihre Vor- und Nachteile findest du hier.

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Hier geht's zur Übersicht

Kann der Arbeitgebende Minusstunden anordnen?

Grundsätzlich können Minusstunden nicht ausdrücklich angeordnet werden. Gerade bei vertraglich festgelegten Arbeitszeiten können diese nicht so einfach vom Arbeitgebenden abgeändert werden. Kommt allerdings ein Arbeitszeitkonto zum Einsatz, dem schriftlich ein Einverständnis erteilt wurde, und es liegen keine festgelegten Arbeitszeiten vor, kann der Arbeitgebende die Mitarbeitenden früher nach Hause schicken.

Allerdings ist in diesem Fall der Arbeitgebende dann auch für die anfallenden Minusstunden verantwortlich. Damit trägt er ein rechtliches und finanzielles Risiko. Gibt es also aus betrieblichen Gründen gerade nicht genügend Arbeit, so müssen Arbeitgebende für die nicht gearbeiteten Stunden aufkommen. Das Nacharbeiten dieser Stunden oder gar eine Kürzung des Gehalts ist an dieser Stelle nicht rechtens und kann juristisch verfolgt werden.

Merke: Minusstunden durch fehlende Arbeitsaufträge sind rechtlich nicht tragbar. Arbeitgebende sind dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitenden das Einhalten ihres Arbeitssoll zu ermöglichen.

Wie müssen Minusstunden ausgezahlt werden?

Wie zuvor herausgestellt, handelt es sich nur um Minusstunden, wenn Arbeitnehmende selbst schuld an den fehlenden Arbeitsstunden sind. Und auch dann kann es nur Konsequenzen haben, wenn zuvor vertraglich dem sogenannten Arbeitszeitkonto zugestimmt wurde.

Minusstunden werden meist durch Überstunden ausgeglichen. Das kann bedeuten, mit dem Arbeitstag früher zu starten oder später zu gehen. Wichtig ist hier darauf zu achten, im rechtlichen Rahmen zu bleiben. Mehr zur rechtlichen Grundlage hier. Diese Stunden müssen innerhalb des sogenannten Ausgleichszeitraums abgearbeitet werden. Der ist im Arbeitsvertrag festgelegt. Werden die Stunden in diesem Zeitraum nicht abgebaut, kann eine Lohnkürzung folgen. Verfallen können Minusstunden allerdings nicht.

Minusstunden und Arbeitszeitkonto im Rahmen der Arbeitszeiterfassungspflicht

Bedeutet nun die Arbeitszeiterfassungspflicht, ich muss ein Arbeitszeitkonto in meinem Unternehmen einführen? Wir können dich beruhigen. Nein, eine Einführung eines Arbeitszeitkontos geht nicht zwingend einher mit der Arbeitszeiterfassungspflicht.

Die Arbeitszeiterfassungspflicht begründet sich auf dem Arbeitszeitgesetz und soll sicherstellen, dass gesetzlich vorgeschrieben Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden. Auf diesem Weg kann natürlich auch sichergestellt werden, dass Arbeitnehmende korrekt ausgezahlt werden und ihr Arbeitszeit-Soll erfüllen, verpflichtet aber nicht dazu, ein vertraglich zu regelndes Arbeitszeitkonto einzuführen.

Erfahre mehr zur Arbeitszeiterfassungspflicht.

Merke aber: Wenn im Rahmen der Einführung eines Zeiterfassungssystems auffällt, dass Mitarbeitende zu wenig Stunden leisten, sind Arbeitgebende nicht dazu berechtigt, an dieser Stelle automatisch das Gehalt zu kürzen. Solange kein vertraglich zugestimmtes Arbeitszeitkonto eingeführt wurde, kann zunächst lediglich in einem Gespräch auf nicht ausgeglichene Minusstunden hingewiesen werden. Fällt vermehrt das nicht Erfüllen des Arbeitszeit-Solls auf, können weitere Konsequenzen wie eine Abänderung der vertraglich zu erfüllenden Stunden oder eine Kündigung folgen.